
Von meinen Eltern habe ich gelernt, dass Geld das Leben gut absichern kann und es sich deshalb lohnt, viel Geld zu sparen, um sicher zu sein. Sie haben dies nie so klar formuliert, aber ich habe es mir an ihrem Lebensstil abgeschaut. Ich habe es übernommen. Geld ist für mich Sicherheit. Für meinen Mann auch, aber er hat schon mehr Phasen durchgelebt mit wenig Geld, deshalb ist er vielleicht ein bisschen entspannter.
Nachdem ich jahrelang als Geldcoach gearbeitet habe, weiß ich, dass die Verknüpfung von Geld mit Sicherheit eine Projektion darstellt. Natürlich kann Geld bestimmte Risiken absichern, aber es gibt auch mit Geld keine absolute Sicherheit. Und es macht Sinn, sich von dieser Überzeugung ein bisschen zu lösen!
In der Altersklasse der über 80jährigen beobachten wir aktuell viele Menschen, die sehr viel Geld besitzen. Sie haben die Sicherheitsfiktion des Geldes aufrechterhalten und leben ausgesprochen sparsam. Wer weiß, was noch kommt. Natürlich kann da ja auch noch was kommen. Werden sie pflegebedürftig, kann die letzte Lebensphase nochmal sehr teuer sein. Aber lohnt es sich, Abenteuer nicht zu leben, um am Ende des Lebens ordentlich gepflegt zu werden??? Diese Frage treibt uns aktuell um.
Wieviel Abenteuer dürfen wir uns heute erlauben?

Um zu identifizieren, was im Leben wichtig ist, gibt es ja zahlreiche Übungen, die im wesentlichen das Leben immer ein bisschen reduzieren. Also, was würdest Du verändern, wenn Du nur noch 5 Jahre zu leben hättest?
Ich würde gerne ein oder zweimal richtig lang mit meinen beiden Liebsten durch Europa reisen. Der zweite Liebste ist unser Zwergpudel und wegen diesem schränkt sich die Reise auch auf Europa ein. Flugreisen ist keine Option. Wenn mein Leben endlich wäre, würde ich es auf diesen Reisen krachen lassen. Gute Unterkünfte, gutes Essen, Wellness von Zeit zu Zeit. Am liebsten würde ich befristet immer mal wieder Freund:innen an ausgewählte Orte einladen, um unsere Freude zu teilen und sie wieder zu sehen, wenn wir einige Monate unterwegs sind. Toller Plan, oder?
Wenn ich unseren Hund überleben würde, dann könnte ich mir so eine Reise auch um die Welt vorstellen. Auch wenn Kreuzfahrtschiffe böse sind, ich könnte es mir gut vorstellen, mit sogenannten Umsetzfahrten einmal um die Welt zu reisen.
Ich würde solche Reisen gerne richtig lang gestalten, also gerne mal sechs Monate unterwegs sein. Thomas würden Reisen von vier bis sechs Wochen reichen. Wir diskutieren noch, wo wir uns treffen.
Heute oder später?
Die Herausforderung ist abzuschätzen, wie viel Geld wir heute schon ausgeben können und uns trotzdem immer noch halbwegs sicher sein können, dass das Geld bis zum Lebensende reichen wird. Eine Gradwanderung. Weil wir lange in die Zukunft schauen können müssen. Und das nur ganz bedingt geht.
Wenn wir uns aus der Angst heraus, dass es später nicht reichen könnte, zu sehr in unserem heutigen Leben beschneiden und alles auf später verschieben, heißt dies auch, dass man bestimmte Dinge wahrscheinlich nie tun wird. Einfach weil die Sicherheit sich wahrscheinlich so spät (wenn überhaupt) einstellt, dass dann die Energie des Lebens nicht mehr für viele Abenteuer reicht. Deshalb boomen in meinen Augen teure Flußkreuzfahrten. Das sind die Abenteuer, die man mit über 80 noch gut machen kann. Oh, ich bin ein bisschen böse. Tschuldigung.
Die berühmte Gradwanderung

Wir nähern uns unserer Frage mit der berühmten Gradwanderung. Unser ganz persönlicher Grad will ausgelotet werden. Denn hier gibt es wahrscheinlich kein allgemeingültiges Rezept. Wir nutzen dazu unsere Excel-Tabelle und bauen mehrere Abenteuer finanziell ein. So wie wir denken, dass es passen könnte.
Auch hier wissen wir, dass dies erstmal nur Planungen sind. Die Realisation steht dann nur für das erste Leuchtturmprojekt an. Es ist schon ein großer Schritt für uns, uns dieses Leuchtturmprojekt zu trauen.
Die Planung mit solitären Leuchtturmprojekten ist natürlich relativ einfach. Weil wir sie, nachdem wir die ersten gemacht haben, auch wieder beenden könnten. Anders sieht die Gradwanderung bei Veränderungen aus, die laufende Kosten produzieren. Diese lassen sich ja nicht ganz so leicht rückgängig machen. Bei uns war dies die Entscheidung für die neue Wohnung. Sie wird unser Leben teurer machen. Und das bis zu unserem Lebensende. Eine klare Frage für unsere Excel-Tabelle. Lässt sich das darstellen oder nicht? Funktioniert es auch noch, wenn wir unsere Renditen runterschrauben? Daran haben wir viel gebastelt.
Was uns noch unsicher macht
Die Kombi aus einer höheren Ausgabe jetzt gleich am Anfang unseres Weges plus eines Rückgang der Investmentgewinne, würde uns die ganze finanzielle Zukunft ruinieren. Würden wir also in 2023 eine größere, richtig teure Reise machen und gleichzeitig der Aktien- und Immobilienmarkt weiter massiv korrigieren, dann würde es schon sehr schwierig werden, unser weiteres Leben zu finanzieren.
Die Korrektur würde schwierig werden. Denn, wir haben die Reise gemacht, das Geld ist weg. Und wir müssten danach bald wahlweise eine Immobilie oder Aktien verkaufen, im Zweifel bevor diese sich von ihrem Tief erholt haben. Dieser größere Verlust macht sich dann insofern ganz banal bemerkbar, dass wir irgendwann in unseren frühen 80er Jahren kein Geld mehr hätten, außer die regelmässigen Renteneinkünfte. Die nur unsere ganz schnöden Basisausgaben decken werden. Wir könnten dies mit Produkten absichern, diese uns also eine lebenslange zusätzliche Rente auszahlen würden. Der Nachteil ist, dass diese recht teuer sind. Wir haben uns eher für einen guten finanziellen Puffer entschieden. Aber das ist sicherlich Geschmackssache. Und wir wissen auch nicht, ob wir damit gut fahren.
Notfallszenario

Würde das Szenario tatsächlich eintreten, müssten wir nach der Reise nochmal arbeiten. Vielleicht auch neue Projekte auf die Beine stellen. Das würde nicht der derzeitigen Planung entsprechen, wäre aber machbar. Dieses Wissen lässt uns zuversichtlich auf unsere Abenteuerplanung zugehen, weil wir noch Zeit haben, Korrekturen an unserem Leben vorzunehmen, die neue Geldströme ermöglichen würden.
Tatsächlich diskutieren wir auch eher die Gesundheitsgefahren, wenn wir über eine längere Reise nachdenken. Was gleichzeitig ein klarer Indikator dafür ist, bald abzureisen. Denn diese Gefahren oder die Sorgen, die wir uns darum machen, werden wahrscheinlich nicht kleiner werden.
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Anette Kleinschmidt (Samstag, 11 März 2023 10:21)
Hallo,
ich kann diesen Zwiespalt gut verstehen. Ich selbst habe ich (zu) früh dafür entschieden, zu leben. Das hat mir tolle Erlebnisse eingebracht, die ich wohl auch nicht missen will. Allerdings sieht es jetzt aktuell um meine Rente auch nicht sehr gut aus, wenn kein Wunder passiert, werde ich noch viele Jahre arbeiten müssen. Ich hoffe, dass das gut geht und bewundere Dich, dass Du Dir vorher schon viele Gedanken machst. Danke für den Blog.
Anette