
Wie emotional abhängig bin ich von der Erwerbsarbeit?
Die Erwerbsarbeit loszulassen, ist gar nicht so einfach, wie ich gedacht habe.
Warum ist das so? Zum einen natürlich, weil ich plane, deutlich früher in Rente zu gehen, als üblich. Zum anderen, weil ich auch noch aus einer freiberuflichen Tätigkeiten aussteigen will und damit niemand einen festen Ausstiegstermin definiert.
Das lässt auch viel Raum für Zweifel und für das Verschieben des finalen Termins oder der Vorhabens überhaupt.
Das geht wahrscheinlich vielen Selbständigen so. Man kann doch einfach weitermachen. Es gibt auch niemanden, der sagt: "Jetzt ist Schluss, am 31. gehen Sie in Rente". Mit Abschiedsfeier und netten Worten. Das fällt alles weg. Kein Abschied, keine Party. Nur große Fragezeichen. Die alle haben, Angestellte werden aber eher gezwungen, da durchzugehen. Und Angestellte freuen sich ja oft auch drauf, weil sie im Job manchmal einfach weniger Gestaltungsmöglichkeiten haben, also auch viel mehr die negativen Seiten der Arbeit erleben.
Nochmal zurück: Ich habe im Corona-Lockdown gemerkt, wie erschöpft ich bin. Neue Ziele, neue Energie für das Jahr 2022 habe ich nicht wirklich aufgebracht. Nun neigt sich 2022 dem Ende und ich kann sagen, so richtig viel habe ich nicht gemacht. Allerdings haben mich die wenigen Coaching und Trainingstermine auch nicht gestört. Eher im Gegenteil, es war schön.
Entweder ich rede sie schlecht, dann gehe ich aber auch mit schlechten Gefühlen raus. Oder ich fokussiere die Erfolge und schönen Seiten, dann stellt sich sofort die Frage, warum höre ich auf.
Dazu kommt eine gewisse emotionale Abhängigkeit von der Routine der Arbeit. Das sind nicht nur die Coachings, sondern auch die Gewohnheit, morgens an den Schreibtisch zu gehen, mit Kunden und damit auch sozialen Kontakten, zu telefonieren und brav meine E-Mails zu beantworten. Ich gehöre dazu, ich habe eine Aufgabe und so ist mein Leben doch schon ewig strukturiert. Zu diesem Thema, als emotionaler Abhängigkeit, mache nicht nur ich mir gerade Gedanken, sondern viele andere Blogger*innen auch. Petra Ahrweiler hat dazu zu einer Blogparade aufgerufen. Wenn Dir dazu auch Gedanken einfallen, mache gerne mit.
In unsichere und unklare Fahrwasser einzutauchen, wenn der bewährte Fahrweg doch funktioniert hat, ist schwierig. Zumal ich wirklich nicht weiß, was da rauskommt.

Meine geschätzte Kollegin Katharina Zuleger hat mir dazu das wunderbare Bild eines großen Schiffs mitgegeben. Wenn dieses seinen Kurs ändern will, dann muss es zunächst Tempo rausnehmen. In voller Fahrt lässt sich nicht die Richtung ändern.
Für meinen Fall kann das auch heißen, dass ich danach gar kein (berufliches) Tempo mehr aufnehme. Langsamer unterwegs bin, wenn das Genuss bedeutet. Oder wieder irgendwann Fahrt aufnehme, in andere Gewässer, die vielleicht viel spannender sind. In denen ich neue Entdeckungen machen darf, die vielleicht spannend sein werden.
So gerne ich den letzten Abschnitt schreibe, so sehr meldet sich da auch Unsicherheit. Aus lauter Angst, dass ich dann nicht weiß, wohin ich fahre, will ich mir auch immer noch die alte Fahrroute offenhalten. Also meine bisherigen Angebote nicht so abschneiden, dass ich diese nicht wieder aufnehmen kann.
Und ich weiß nicht, wohin die Fahrt geht! Ich habe diesmal keinen Sog, oder einen sehr diffusen Sog, der sich zweiteilt: Ich freue mich sehr auf meinen Renten-Honeymoon - also auf eine Zeit, in der ich mir erlaube nichts zu tun. So eine Art Urlaub. Denn ich weiß, ich kann mich darauf nur freuen, wenn es befristet ist. Eben wie ein Urlaub. Mein Gefühl - und die Literatur zum Thema - sagt mir, dass ich nach etwa sechs Monaten spätestens was anderes brauche. Genau das ist noch diffus. Ich kenne die neuen Fahrwasser noch nicht und die fernen Bilder, die sich am Horizont abzeichnen, sind noch sehr diffus. Manchmal fällt es schwer, am Kurs und an der Temporeduktion festzuhalten. Denn die Anfragen kommen immer noch und wie gesagt, es macht auch immer wieder Spaß. Besonders, wenn es dosiert kommt. Und so ist auch eine Option, alles so zu lassen, wie es ist, eben nur langsamer. Mit der Hoffnung, dass in der langsameren Fahrt andere Optionen klarer werden und sich der Nebel vielleicht ein bisschen lichtet.
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Petra (Dienstag, 25 Oktober 2022 12:34)
Liebe Gisela,
aus deinem Beitrag lassen sich so viele hilfreiche Wege für einen guten Übergang in die Rente erschließen. Zwar hast du dich auf die Sicht als Selbständige konzentriert, aber da ist auch so viel Gutes für Menschen in Anstellung drin. Herzlichen Dank für deinen Beitrag zu meiner Blogparade "emotionale Abhängigkeit lösen" und deinem Hinweis an die Leser/innen, auch noch mitzumachen!
Viele Grüße
Petra