
Wahrscheinlich geht es mir, wie vielen anderen Menschen, die frühzeitig das Erwerbsleben verlassen wollen und sich der Rente zuwenden. Die erste Frage ist immer: Kann ich mir das leisten?
Eine Rechenaufgabe, die ich mir auch gestellt habe und ja, die auch zukünftige Unwägbarkeiten enthält.
Ist die Frage aber im Grundsatz geklärt, stellt sich als nächstes die Frage, wie werde ich mein Leben ohne Arbeit, ohne diese äußeren Zwänge des Geldverdienens glücklich gestalten. Dazu habe ich einige spannende Studien aus den USA entdeckt, die zusammenfassend 7 Glücksfaktoren als zentral ausmachen. Was ist also wichtig, um im Ruhestand glücklich und erfüllt zu leben?
1. Gesunder Lebensstil
Keine Frage, wir alle hoffen, dass uns im Alter (genauso wie in der Jugend übrigens, da ist es bloss nicht so präsent) keine Krankheit in unserem Tatendrang ausbremst. Dafür kann man natürlich einiges tun. Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen, viel Bewegung und gesunde Ernährung sind sicherlich die wichtigsten Punkte.
Lass uns konkret werden. Wie lässt sich das umsetzen?
Ohne Erwerbsarbeit bleibt mehr Zeit. Das ist wunderbar, den Bewegung braucht Zeit, um diese zu tun. Ich werde einen Plan bzw. eine Routine brauchen, um meinen Schweinehund vom Schreibtisch wegzubewegen. Mir schwebt vor, die Sportroutinen genauso zu planen und als gesetzt zu sehen, wie ich es bisher mit meinen Terminen mit Klienten gemacht habe. Denen habe ich auch nur im allergrößten Notfall abgesagt. Wieso sollte meine eigene Gesundheit weniger wichtig sein? Mal schauen, ob das funktioniert. Was planst Du, um Dich mehr zu bewegen? Oder ist hier alles schon im grünen Bereich?
In Sachen Ernährung werde ich mich noch mehr der veganen Küche zuwenden. Nicht ausschließlich, aber ich weiß, dass es da noch viel zu entdecken gibt. Ich freu mich auf die Zeit, mehr selber machen zu können. Was ist es hier bei Dir?
Bei den Vorsorgeuntersuchungen bin ich hier mit meinen Ärzten in Berlin gut aufgestellt. Ich werde angerufen, wenn eine Untersuchung ansteht. Die besondere Herausforderung sehe ich für mich nach unserem Umzug. Denn dann werde ich mir erstmal ein Set an neuen Ärzten suchen müssen und das ist ja nicht immer ganz einfach. Mal schauen, wie das gehen wird. Wie ist es bei Dir? Wirst Du an Vorsorgeuntersuchungen erinnert und nimmst Du sie wahr? Wenn nein, warum nicht? Ist alles andere wichtiger? Wirklich?

2. Soziale Kontakte
Das soziale Netz verändert sich, wenn man die Erwerbsarbeit verlässt. Nicht alle beruflichen Kontakte erweisen sich als beständig, wenn man sich nicht mehr jeden Tag auf Arbeit sieht. Im Gegenteil, für viele sind dies nur ganz wenige Kontakte, die diesen Wechsel überleben.
Also heißt es, neue Kontakte aufbauen und vielleicht auch ganz alte Kontakte wieder ausgraben. Mit unserem Umzug wird das eine neue Herausforderung werden. Bis dahin genießen wir noch unseren Freundeskreis in Berlin. Hier hat sich bewährt, bei jedem Treffen am Ende einen neuen Termin auszumachen. Wenn wir das nicht tun, kommt über lange Strecken das Leben dazwischen. Es dauert oft ewig, bis man sich wieder verabredet. Macht man es gleich, geht es viel leichter. Umgezogen werde ich wieder alte Kontakte "aufwärmen" und schauen, welche Verbindungen auch heute wieder Spaß machen. Immerhin habe ich schon mal 11 Jahre in Kassel gelebt, dennoch habe ich in den letzten 20 Jahre viele Menschen aus dem Blick verloren. Ich bin gespannt und natürlich auch offen für Neues. Neue Bekannte mache ich, indem ich mich in Vereinen engagiere, in Chören mitsinge und vielleicht auch nochmal künstlerische Kurse besuche.
Was tatsächlich neu ist, ist die Erfahrung der Pflege von Freundschaften in der Ferne. Hier haben wir alle wahrscheinlich sehr viel in der Corona-Zeit gelernt. Regelmässige Calls mit Familie und Freunde, ja sogar mit Menschen, mit denen ich auf diesem Weg erst eine Freundschaft angefangen habe. All das ist neu möglich. Wie schön, dass ich jetzt nach Corona auch viele Menschen besuchen und live umarmen darf. Was für ein erhebendes Gefühl.
Wie ist das bei Dir? Bist Du gut eingebunden oder ist das eine nagende Baustelle, die mehr Aufmerksamkeit bedarf? Was kannst Du tun? Wie kannst Du anderen Menschen eine Freude bereiten, für sie da sein? Jeder eigene Input zahlt sich aus, davon bin ich überzeugt. Vielleicht nicht direkt, vielleicht auch nicht mit dieser Person. Aber von irgendwo kommt was zurück.
3. Eine Aufgabe
Wie die Japaner so schön sagen, Du brauchst Ikigei. Übersetzt "etwas, wofür es sich lohnt, aufzustehen." Für die einen ist es nochmal ein Job, vielleicht für ein paar Tage. Oder eine beratende Tätigkeit aus dem Wissen, was man im Leben angehäuft hat. Es kann aber auch eine ehrenamtliche Aufgabe sein. In der Summe soll sich das Gefühl einstelle: Ich werde gebraucht, ich tue etwas mit Sinn und Nutzen. Wäre ich nicht da, würde es irgendwem oder irgendwas schlechter gehen.
Ich bin selbst noch nicht sicher, was das bei mir sein wird. So wie ich in meinem Berufsleben immer verschiedene Dinge gemacht habe, so wird es auch im Ruhestand sicherlich nicht nur eine Aktivität sein. Durch die vielen beruflichen Kompetenzen als Geschäftsführerin, Politikerin, Coach, Trainerin und Autorin werde ich gut andocken können, egal ob nochmal in einem kleinen Job, selbständig oder ehrenamtlich.
Mit was willst Du die Welt besser machen? Was könnte Dir das Gefühl geben, dass Du einen echten Unterschied machst?

4. Höre nie auf zu lernen
"Man wird alt und dumm wie eine Kuh und lernt immer noch dazu" - mit diesem Spruch bin ich aufgewachsen. Nicht nett für die Kühe und in der Annahme, dass man im Alter dumm wird, auch nicht für alte Menschen. Aber in der weiteren Aussage, dass man noch dazulernen könne, schon. Denn dieser Punkt scheint sehr wichtig zu sein. Sich immer wieder mit neuen Dingen zu beschäftigen, bei denen das Gehirn gefordert wird.
Das ist ja nicht immer ganz einfach. Wenn es da den Rat gibt, geh in die Bücherei und leih Dir ein Buch aus, finde ich das zu kurz gegriffen. Ich lese keine Bücher, bei denen mich der Inhalt nicht interessiert. Und es gibt wirklich vieles, was mich nicht interessiert. Heißt, ich muss erstmal rausfinden, was mich aktuell interessiert. Das aktuell finde ich dabei auch sehr zentral. Es gab in meinem Leben schon viele Themen, die mich interessiert haben und ich bin sicherlich meilenweit davon entfernt, sie komplett durchdrungen zu haben. Aber irgendwann flaut das Interesse ab. Und irgendwas Neues kommt. Aktuell ist es die Phasenbewältigung vom Arbeitsleben in den Ruhestand. Dazu kann ich total viel lesen und recherchieren. Weil es mich interessiert. Ich merke aktuell, dass ich wieder mehr englische Wörter beim Reden einflechte. Weil ich gerade ganz viel auf englisch lese. Wenn mich was interessiert, habe ich Freude am lernen und kann mich kaum bremsen.
Noch besser wäre es für mein Gehirn, wenn es mich interessieren würde, nochmal ein Musikinstrument oder eine neue Sprache zu lernen. Sagt die Gehirnforschung und ich kann das nachvollziehen, aber mich noch nicht aufraffen. Manchmal schaue ich ganz vorsichtig die Gitarre an, die hinterm Schrank steht und darauf wartet wiederentdeckt zu werden. Schau'n wir mal, wann es hier Videos von mir gibt mit Gitarrenbegleitung...
Was möchtest Du lernen? Was interessiert Dich? Und wenn da gar nichts ist, helfen auch Kreuzworträtsel... Aber das könnte jetzt auch als Drohung daherkommen.
5. Bleibe optimistisch - oder lerne es
Wieder diese Studien: Optimistische Menschen leben länger und erleben seltener Herzinfarkte. Allein deshalb lohnt es sich, an der eigenen optimistischen Sichtweise zu arbeiten. Dazu kommt noch, es macht auch mehr Spaß!
Nun wird mein eher pessimistischer Mann antworten, dass er das aber nicht kann und die Welt eh schlecht ist. Für Optimismus in der Beziehung bin irgendwie meistens ich zuständig. Wenn auch ein kleiner Teil veranlagt ist und wir sicherlich viel Prägung aus unserer Kindheit mitbekommen haben, so können tendenziell pessimistische Menschen schon daran arbeiten, die Welt in angenehmeren Farben wahrzunehmen. Es ist eine Entscheidung, ob man daran arbeiten will oder eben nicht. Wie man auf Dinge und Erlebnisse schauen will: Mit der Brille, was daran gut ist oder mit der Brille, warum es jetzt schlecht ist. Auch mit echten Übungen, wie beispielsweise einer bewussten Sammlung am Abend, was am Tag alles gut gelaufen ist. Was Freude gemacht hat und wo wir etwas gelernt haben und stolz auf uns sein können. Und um dem nächsten Punkt ein bisschen vorzugreifen: Für was wir dankbar sein dürfen.

6. Sei dankbar
Wieder so ein Ratschlag aus der positiven Psychologie. Aber ein sehr effektiver. Wann immer es mir in meinem Leben schlecht ging und ich durch schwierige Phasen durchmusste, habe ich morgens den Tag mit einer kurzen Dankbarkeitsübung gestartet. In unterschiedlichen Variationen, aber eine war, jeden Morgen drei Dinge zu notieren, für die ich dankbar bin und weitere ein bis drei, auf die ich mich freue, heute erleben zu dürfen. Besonders in schwierigen Zeiten waren dies oft kleine Dinge. Wenn ich am Abend noch dachte, an hohem Fieber zu sterben, so war ich am nächsten Morgen schlicht dankbar, dass ich noch lebe. Ich finde übrigens, dafür darf man jeden Morgen dankbar sein. Aber mit ein bisschen Suche habe ich immer noch viel mehr Dinge gefunden. Und selbst an stressigen, vollen Tagen eine Kleinigkeit einzubauen, auf die man sich dann freuen kann, geht wirklich immer!
Ich plane es fest ein, sollte ich in meiner neuen Lebensphase irgendwann in schwierige Fahrwasser geraten. Dann hole ich mir mein Journal heraus und fange an zu schreiben: Für was ich dankbar bin, und vielleicht noch was schön war und was schön werden wird.
Dabei ist es übrigens wichtig, die Dinge aufzuschreiben, am besten handschriftlich. Das wirkt im Gehirn einfach nochmal intensiver.

7. Lebe mit Fell oder Federn zusammen
Für mich ist unser Enno Glück pur. Wir haben unseren Zwergpudel seit 4 Jahren, er wurde von Anfang an ein echtes Familienmitglied, Kinderersatz und Mittelpunkt in unserem Leben. Es gibt Freunde, die lästern bestimmt, dass wir es ein bisschen übertreiben. Mag sein, aber es fühlt sich gut an.
Jenseits seiner positiven Präsenz an sich, "zwingt" er uns auch bei schlechtem Wetter unsere Spaziergänge zu machen. er "zwingt" uns auch zu einer gewissen Tagesstruktur, was nicht schlecht ist.
Nun wirst Du vielleicht sagen, ein Hund kommt für Dich nicht in Frage. Aus welchen Gründen auch immer. Wir haben lange gebraucht, weil Thomas eine Hundehaarallergie hat. Bis wir gelernt haben, dass Pudel eine andere Haarstruktur haben und Thomas auf Pudel nicht allergisch reagiert. Drei Monate später war Enno groß genug, um bei uns einzuziehen. Aber es gibt natürlich noch viele andere Gründe. Möglicherweise kannst Du dann in einem Tierheim aushelfen, die Hunde Gassi zu führen. Oder ein anderes Tier kommt für Dich in Frage. Eine Katze ist definitiv unabhängiger, das hat Vor- und Nachteile. Insgesamt bleibt es einfach Geschmacksache, welches Tier Sinn macht und ob überhaupt. Aber die, die eins im Alter haben, werden mir wahrscheinlich zustimmen, dass es nämlich zum Lebensglück massiv beiträgt.

Das sind die sieben Glücksfaktoren. Ich finde sie alle wichtig, würde sie für mich anders gewichten, aber das ist ja Geschmacksache. Herausfordernd ist der Bereich der Bewegung und bei unserem Umzug das neue Schaffen sozialer Kontakte.
Was nimmst Du bei Dir als Herausforderungen wahr? Gibt es Bereiche, die sich noch viel weiterentwickeln können oder bist Du schon rundum gut aufgestellt?
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