Ich entschleunige!

Warum will ich früher in Rente gehen? Grundsätzlich arbeite ich gerne. Aber es ist mir viel zu oft zu viel. Viel zu viel. 

Mein Leben ist zu voll. Voll mit Terminen und Verpflichtungen. 

 

In den Corona-Lockdowns habe ich es genossen, dass es plötzlich keine Termine mehr gab. Ich war überrascht, wie gerne ich zu Hause geblieben bin und wie fantastisch ich die ersten Tage fand, in denen ich morgens im Bett überlegen durfte, was ich heute machen will. Denn alles dienstlichen Verpflichtungen waren ja abgesagt. Daraus ist die Sehnsucht entstanden, das Berufsleben herunterzuschrauben. 

Aktuell nehme ich nur noch Aufträge an, von Menschen, die aktiv auf mich zugehen. Mit denen ich bereits gearbeitet habe und die ich auch weiterhin gerne als Coach oder Trainerin bei ihrer Entwicklung begleiten will. Dabei versuche ich aktuell bereits nur noch maximal an zwei Tagen Coachings zu geben und zwei bis drei Trainings im Monat durchzuführen. Wenn die Termine vergeben sind, erkläre ich mich möglichst als ausgebucht. Manchmal sind es dann doch vier Trainings im Monat, aber ich arbeite an mir und meiner Fähigkeit abzusagen. 

 

Die Tage war eine Freundin zu Besuch, die sich von einem Sabbatjahr zum nächsten bewegt. Sie war wie ich lange beruflich sehr schwer eingespannt und ich tausche mich sehr gerne mit ihr aus, wie es ihr in ihrer selbstverordneten Pause geht. Sehr gut. So gut, dass sie aktuell noch keine Lust darauf hat, ein neues Business aufzubauen. 

 

Sie hat auch ein Thema damit, sich ihr Leben nicht mit zu viel Terminen zu verplanen und ich fand ihre Prämisse toll und gleichzeitig richtig radikal: Nur einen Termin pro Tag. Wenn das Physio ist, dann geht kein Abendessen mehr mit Freunden. Es gibt nur einen Termin, den sie ausmacht, danach sagt sie allen Anderen, dass sie an dem Tag keine Zeit mehr hat. Natürlich übt auch sie noch, aber die Prämisse hat mir gefallen. Weil sie hilft, sich selbst zu beschränken. 

 

Daran hängt dann auch die Herausforderung, mit sich selbst und der eigenen Zeit gut umzugehen. Also mit sich selbst gut zu sein. Sich selbst gut auszuhalten. Sich nicht immer abzulenken. Zeit zu haben, in sich reinzufühlen. 

 

Für mich ist das eine Entdeckung des Alters. Jünger habe ich volle Tage gehabt, nicht nur weil meine beruflichen Aktivitäten dies nötig gemacht haben. Sondern weil ich auch nicht so genau hinschauen wollte, wie es mir gerade geht, ob ich einsam bin, ob ich mich erschöpft fühle oder was auch immer. Regulator waren Erkältungen. Die haben mir Pausen gebracht, ich selbst konnte das nicht gut alleine aktiv regulieren. Über die Jahrzehnte und viel Selbstbeobachtung habe ich viel dazugelernt. Ich kann gut mit mir. Mit mir alleine, mit meinem Hund und mit meinem Mann. Wenn sie nicht da sind, weiß ich trotzdem, dass es sie gibt. Ähnlich wie ich das von den langjährigen Freunden weiß, die ich auch nicht häufig sehen muss, um zu wissen, dass sie mit mir verbunden sind. In diesem Setting lässt sich Einsamkeit viel besser aushalten, als in jungen Jahren. Da brauchte ich die Rückversicherung, dass sie alle mit mir was machen. Gleichzeitig hatte ich auch mehr Hummeln unterm Hinter. 

 

Noch bin ich nicht in Rente. Aber ich reduziere. Und ich mache mir Gedanken, ob die 1 Termin pro Tag Regelung mir auch gefallen könnte. Wobei sie sich aktuell noch etwas radikal anfühlt.

 

Wie ist das bei Dir? Planst Du eher den berühmten Unruhestand mit vielen Aktivitäten oder willst Du Dein Leben in Rente oder sagen wir mal, im Prozess des Älter werdens, dosieren, weil sich genau dieses Ausruhen und Entschleunigen gut anfühlt? 

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